Reisebericht - Besuch in Nepal 2024
Dieses Mal bin ich mit meinem Mann Tobi und unseren sechsjährigen Zwillingsmädchen nach Nepal gereist. Es war wunderbar, ihnen meine zweite Heimat und die herzlichen Menschen dort näherzubringen – aber ich muss zugeben, es war auch anstrengend. Nepal ist eine komplett andere Welt, die selbst ohne kleine Kinder im Gepäck oft eine Herausforderung ist. Diese Reise war deshalb in vielerlei Hinsicht besonders, auch wenn ich manchmal das Gefühl hatte, weder meinen Kindern noch den Nepalis ganz gerecht zu werden. Aber der Reihe nach.
Nach über 20 Stunden Reisezeit kamen wir müde in Kathmandu an. Dort wurden wir von Narayan herzlich in Empfang genommen und zu unserer kleinen Airbnb-Wohnung gebracht, die etwas außerhalb von Thamel lag. Unsere Gastgeber, ein liebevolles Ehepaar, waren unglaublich herzlich. Hari hätte perfekt Französisch gesprochen – leider nicht gerade meine Stärke – aber auf Englisch konnten wir uns gut verständigen.
Wir verbrachten drei Nächte in Kathmandu, zeigten den Kindern die Stadt und besuchten Freunde. Die beiden haben das großartig gemacht, obwohl wirklich alles neu für sie war: der Trubel, die Gerüche, der Lärm. Sie haben die Energie der Stadt regelrecht aufgesogen, was uns als Eltern ordentlich gefordert hat. Wir besuchten einige Sehenswürdigkeiten, trafen alte Bekannte und tauchten gemeinsam in diese aufregende, fremde Welt ein.
Am dritten Tag brachen wir früh um 6:30 Uhr mit dem Jeep nach Kaste auf. Trotz der Überschwemmungen vor einem guten Monat verlief die Fahrt ohne größere Probleme. Einige Straßen waren noch stark beschädigt, sodass wir auf eine kurvenreiche Alternativroute ausweichen mussten. Andererseits waren die Straßen in Dhading inzwischen viel besser betoniert als noch vor zwei Jahren, was die Reisezeit spürbar verkürzt hat. Bereits um 13:00 Uhr erreichten wir Kaste – ein kleines Dorf in der Nähe von Bhumestahn, dem Ort, den wir vor neun Jahren nach einem schweren Erdbeben wieder aufgebaut haben.
Gegebenheiten in Kaste und Vergleich mit Grang
In Kaste leben 65 Familien, die in einer herausfordernden Umgebung ihren Alltag meistern. Als wir das Dorf ins Ziegenprojekt aufgenommen haben, teilten wir es zunächst in zwei Gruppen auf, da wir nicht glaubten, so viele Tiere und Spendengelder auf einmal bereitstellen zu können. Doch dank der großartigen Unterstützung, insbesondere durch den Lions Club Hochwald-Hermeskeil (DE), konnten wir schließlich genug Mittel sammeln, um alle Familien gleichzeitig zu unterstützen.
Die Beschaffung der Tiere stellte allerdings eine große Herausforderung dar. Unsere Erfahrungen aus dem Dorf Grang, das wir vor einigen Jahren unterstützt hatten, waren dabei lehrreich. In Grang hatten wir Ziegen aus weit entfernten Gebieten beschafft, was für manche Tiere problematisch war – insbesondere wegen des kalten und feuchten Klimas an dem Nordhang, wo sie nicht optimal gedeihen konnten. Diesmal entschieden wir uns, ausschließlich Tiere aus der unmittelbaren Umgebung von Kaste zu besorgen. Doch die große Anzahl der benötigten Ziegen – einschließlich zweier Zuchtböcke, die möglichst „gleich gut“ sein mussten, um Neid zu vermeiden – machte die Organisation dennoch äußerst schwierig.
Drei Männer arbeiteten fast zwei Monate lang daran, dass am Ende alle Tiere rechtzeitig im Dorf ankamen. Ihre Arbeit war intensiv: Tiere mussten ausgesucht, geprüft, transportiert und verteilt werden. Für ihren unermüdlichen Einsatz erhielten sie einen Lohn von 400 CHF, den sie sich teilten.
Kaste selbst liegt in der Region Dhading – eine Region, die zwar üppig bewachsen, aber von steilen Hängen geprägt ist. Die Dorfbewohner haben keinen direkten Zugang zu einer Wasserquelle, was bedeutet, dass sie weite Wege zurücklegen müssen, um Wasser zu holen. Auch der Reisanbau ist in diesem Gelände schwierig, was die Nahrungsversorgung zusätzlich erschwert.
Das Dorf ist weit verstreut, doch die Gemeinschaft hat hier einen hohen Stellenwert. In schwierigen Zeiten hilft die Familie, der es am besten geht, den anderen – niemand wird zurückgelassen. Besonders bemerkenswert ist die starke Solidarität unter den Frauen, die oft ohne männliche Unterstützung den Alltag bewältigen müssen. Alleinerziehende oder verwitwete Frauen werden in die Dorfgemeinschaft aufgenommen, sodass weibliche Gesichter hier deutlich in der Überzahl sind.
Trotz der schwierigen Lebensumstände haben die Menschen in Kaste eine beeindruckende Widerstandskraft und Solidarität, die uns einmal mehr gezeigt hat, wie wichtig und wirkungsvoll Projekte wie dieses sind.
Die Zeremonie
Die Ziegen waren dieses Mal schon vor unserer Ankunft im Dorf verteilt worden, und so bot sich uns gleich ein wunderschönes Bild: viele glückliche Gesichter, stolz mit ihren neuen Tieren. Wir wurden herzlich empfangen und nahmen auf einem geschmückten Platz platz, wo uns traditionelle Blumenkränze umgehängt wurden – eine Geste der Dankbarkeit und Wertschätzung, die uns tief berührte. Auch unsere Zwillinge wurden mit einbezogen. Die Nepalesen lieben Kinder, und so wurden die beiden schnell zum Mittelpunkt des Geschehens. Jeder wollte sie auf den Arm nehmen oder wenigstens kurz berühren. Diese herzliche, aber ungewohnte Nähe war für eine unserer Töchter zu viel, und mein Mann zog sich mit ihr etwas zurück, um ihr eine kleine Pause zu gönnen. Die andere Tochter blieb tapfer an meiner Seite und nahm das bunte Treiben mit großen Augen wahr.
Narayan, unser langjähriger Freund und Koordinator vor Ort, begann die Zeremonie mit einer Rede. Er begrüßte die Dorfbewohner, erklärte den Hintergrund unseres Vereins und zählte die bisherigen Projekte von WIR BEWEGEN auf. Seine Worte brachten uns zum Nachdenken – es ist unglaublich, wie viel wir in den letzten Jahren gemeinsam erreicht haben.
Dann wurde es feierlich: Von einer Liste wurden die Namen der Begünstigten vorgelesen, und jede Person kam mit ihrem Tier nach vorne, um es uns zu zeigen. In Grang hatte ich vor einigen Jahren die Möglichkeit, jedes Tier und seinen Besitzer zu fotografieren. Dieses Mal war es etwas chaotischer – mit einem sechsjährigen Mädchen an meiner Seite, das neugierig Fragen stellte und gleichzeitig viel Aufmerksamkeit benötigte. Sie hat es wirklich toll gemacht, aber es war dennoch eine Herausforderung, den Überblick zu behalten. Dazu kam, dass ich vor lauter Aufregung die Kamera falsch eingestellt hatte, was mir wirklich unangenehm ist. Leider gibt es daher nicht von jedem Tier ein Foto – ein großes Sorry an alle Spender! Trotzdem konnte ich während der Reden die Liste einsehen und die Anzahl der Menschen und Tiere bestätigen: Es waren tatsächlich 65 Ziegen und 2 Zuchtböcke, die uns stolz präsentiert wurden.
Nach der Vorstellung der Tiere ergriff die Sprecherin der ersten Gruppe das Wort. Sie bedankte sich herzlich bei allen Spenderinnen und Spendern, die diese großartige Ziegen-Spende ermöglicht haben. Es sei ein Geschenk, das die Dorfbewohner für die Zukunft sehr gut nutzen könnten, und das ihnen helfen werde, die Herausforderungen des Alltags besser zu bewältigen.
Im Anschluss wurden wir zu einem liebevoll angerichteten Buffet eingeladen. Selten habe ich in Nepal ein so reichhaltiges und köstliches Dal Bhat genossen – und zur großen Freude unserer Kinder gab es sogar Pommes Frites.
Nachdem wir uns gestärkt hatten, besuchten wir zwei Familien, die uns ihre Geschichten erzählten. Für die Geschichten dieser Familien hatten zwei großzügige Spender im Rahmen des Crowdfundings eine beträchtliche Summe gespendet. Es war sehr bewegend, von ihren Erfahrungen und Lebensumständen zu hören. Die Wege zwischen den Häusern führten durch einen kleinen Dschungel am Steilhang, den wir mühsam bezwingen mussten – ein Sinnbild für die Herausforderungen, die die Menschen hier täglich meistern.
Zeit in Bhumesthan
Nach unserem Aufenthalt in Kaste stiegen wir wieder in den Jeep und machten uns auf den Weg nach Bhumesthan. Die Fahrt über die holprige Piste dauerte gut eine Stunde und forderte, wie immer, unsere volle Aufmerksamkeit und Geduld. Als wir ankamen, war es noch relativ früh, und die meisten Dorfbewohner waren noch bei der Arbeit. Das gab uns die Gelegenheit, in Ruhe anzukommen, ohne gleich von allen Seiten in Beschlag genommen zu werden.
Narayans Mutter empfing uns mit einer liebevollen Segnung. Es war ein rührender Moment, denn sie hatte unsere Kinder noch nie persönlich kennengelernt und war sichtlich glücklich, sie endlich zu sehen.
Das kleine Nebenhaus von Narayans Familie, das einst über dem Ziegenstall stand, war nun endlich nach dem Erdbeben 2015 wieder aufgebaut worden. So konnten wir in den neu hergerichteten Räumen übernachten. Für unsere Kinder wurden extra viele Decken auf das Brett gelegt, die als Matratze dienten, um den Schlaf etwas weicher und gemütlicher zu machen. Besonders aufregend war die „Renovierung des Badezimmers“. Nach Arjuns starken Rückenschmerzen im letzten Jahr und Narayans Mutter, die wegen Gallensteinen operiert werden musste, hatten sie nun eine westliche Toilette in das kleine Toilettenhäuschen eingebaut. Für unsere Kinder war das ein echter Segen, denn die traditionellen Toiletten mit den Löchern im Boden waren ihnen nicht ganz geheuer.
Nach einem weiteren köstlichen Dal Bhat gingen wir bald ins Bett – die Jeep-Fahrt hatte uns alle ziemlich müde gemacht.
Am nächsten Morgen begrüßten wir die Dorfbewohner, die uns mit Blumenkränzen und Tikas willkommen hießen. Es war ein wunderschöner Moment der Gemeinschaft und Dankbarkeit. Wir hatten für die Bewohner kleine Geschenke dabei, darunter die mitgebrachte Schokolade, die großen Anklang fand. Natürlich fehlte auch die Voltaren-Creme nicht, die hier fast schon zum Standardgeschenk geworden ist. Dieses Mal hatten wir zusätzlich Paracetamol mit im Gepäck, da das hiesige Paracetamol angeblich heftige Nebenwirkungen verursache.
Im Anschluss spazierten wir durch das Dorf, machten Halt bei verschiedenen Häusern und wurden – wie es hier Tradition ist – überall herzlich empfangen. Tee und etwas zu essen gab es an jeder Ecke, als Zeichen ihrer Dankbarkeit. Für unsere Kinder war es besonders spannend, all die Tiere zu sehen, die frei umherliefen. Für uns hingegen war es eine Freude, all die vertrauten Gesichter wiederzusehen und Zeit mit den Menschen zu verbringen, die uns so ans Herz gewachsen sind.
Am nächsten Tag unternahmen wir einen Ausflug zu einem heiligen Wasserfall. Auch wenn der Wasserfall zu dieser Jahreszeit wenig Wasser führte, war die Aussicht atemberaubend, und die Stille des Ortes lud zum Innehalten ein.
Auf dem Rückweg schauten wir kurz an der Schule vorbei, die ich bereits vor zwei Jahren besucht hatte. Es war schön zu sehen, dass mich einige der Kinder wieder erkannten. Unsere Zwillinge wurden neugierig bestaunt, was ihnen jedoch nicht ganz so gefiel. Zum Glück fanden wir eine ruhigere Ecke, wo es Popcorn und Eier gab – das war eine willkommene Abwechslung.
Der Abend hielt noch einen besonderen Höhepunkt für uns bereit. Die frisch gegründete „Bhumesthan Women Group“ hatte sich versammelt, um uns ihre Gemeinschaft zu präsentieren. Diese Gruppe von Frauen hat es sich zur Aufgabe gemacht, gemeinsam Projekte zu starten und so dem oft eintönigen Alltag zu entkommen. Sie sangen und tanzten voller Lebensfreude – es war ein unglaublich berührender Moment. Die Stimmung war so ansteckend, dass wir schließlich mit ihnen tanzten. Dieser Abend wird uns sicher für immer im Herzen bleiben.
Die letzten Tage
Unsere Reise führte uns weiter nach Pokhara, doch bevor wir die entspannte Atmosphäre der Stadt genießen konnten, stand uns eine anstrengende Fahrt bevor. Obwohl die Strecke nur 180 Kilometer lang ist, verbrachten wir ganze 10 Stunden im Jeep. Die Straßenverhältnisse sind nach wie vor eine Herausforderung – holprige Pisten und enge Kurven verlangten uns einiges ab.
Pokhara selbst hat sich seit unserem letzten Besuch deutlich verändert. Die Stadt ist gewachsen, hat aber ihren Charme bewahrt. Für uns blieb sie eine kleine Oase inmitten des Trubels von Nepal. Hier konnten wir ein wenig durchatmen und die Zeit genießen.
Eines der Highlights war unser Ausflug nach Sarangkot, einem Aussichtspunkt oberhalb der Stadt. Der Anblick der majestätischen Berge des Himalayas, die sich am Horizont erhoben, ist jedesmal überwältigend. Es war ein besonderer Moment, unseren Kindern diese atemberaubende Landschaft zu zeigen, die so typisch für Nepal ist.
Die Zeit in Pokhara verbrachten wir vor allem mit Narayan, der sichtlich aufblühte in der Gesellschaft unserer Kinder. Die drei verstanden sich prächtig, spielten und lachten miteinander, als würden sie sich schon ewig kennen. Es war wunderbar zu sehen, wie gut sich Kinder und Erwachsene ohne eine gemeinsame Sprache verständigen können. Narayan spricht kein Deutsch, unsere Kinder kein Englisch, und trotzdem funktionierte das Zusammenspiel auf magische Weise. Es war, als hätten sie ihre eigene, universelle Sprache gefunden.
Nach ein paar erholsamen Tagen in Pokhara stand uns erneut eine lange Jeep-Fahrt bevor – diesmal zurück nach Kathmandu. Wieder 10 Stunden auf holprigen Straßen, diesmal sogar auf dem sogenannten „Nepali Highway“. Die Bezeichnung „Highway“ wirkte eher ironisch, aber die landschaftliche Kulisse entlang der Strecke machte die Strapazen zumindest etwas erträglicher.
Zurück in Kathmandu nutzten wir die verbleibenden Tage, um noch einige besondere Momente zu erleben. Zusammen mit Narayans Familie unternahmen wir einen Ausflug nach Chandragiri, einem beliebten Aussichtspunkt auf 2.500 Metern Höhe. Der Ort ist mit einer Gondel erreichbar, die allein schon ein kleines Abenteuer für unsere Kinder war. Der Tag war klar, und der Ausblick auf die schneebedeckten Gipfel des Himalayas war schlicht atemberaubend. Es ist immer wieder beeindruckend, wie majestätisch und erhaben dieses Gebirge ist.
Die restliche Zeit in Kathmandu verbrachten wir mit Freunden, etwas Shopping und Besuchen in den vielfältigen Restaurants der Stadt. Es war schön, noch einmal die nepalesische Gastfreundschaft und die Köstlichkeiten der Küche zu genießen.
Doch dann kam der Tag der Rückreise. Nach gut zwei Wochen in einer so anderen Welt hieß es Abschied nehmen. Wir waren 24 Stunden unterwegs, von einer Tür zur nächsten – erschöpft, aber voller unvergesslicher Erinnerungen. Als wir schließlich in unseren eigenen Betten lagen, war die Erleichterung groß, aber auch die Sehnsucht nach Nepal ließ nicht lange auf sich warten.
Fazit
Nepal mit Kindern zu erleben, war eine ganz neue Erfahrung. Es war wunderschön, intensiv und oft anstrengend – eine Reise, die uns körperlich und emotional gefordert hat, aber auch so viele unvergessliche Momente und Begegnungen geschenkt hat.
Wir haben gemeinsam mit unseren Kindern eine neue Welt entdeckt, sie in unsere zweite Heimat eingeführt und ihnen die Schönheit und Herzlichkeit Nepals nähergebracht. Diese Reise hat uns gezeigt, wie wertvoll es ist, solche Erlebnisse als Familie zu teilen. Die vielen wundervollen Erinnerungen, die wir mitgenommen haben, werden uns noch lange begleiten und vielleicht eines Tages auch bei den Kindern den Wunsch wecken, erneut nach Nepal zurückzukehren.
Und das Wichtigste – wir konnten die Ziegen erfolgreich an die Familien im Dorf Kaste übergeben und das Crowdfunding mit einem großartigen Ergebnis abschließen. Es erfüllt uns mit tiefer Freude und Stolz, dass wir erneut so vielen Menschen eine Perspektive für die Zukunft schenken konnten. Dieser Erfolg wäre ohne die großzügige Unterstützung unserer Spender nicht möglich gewesen – dafür sind wir von Herzen dankbar.